Wir hören es schon seit Jahren: Deutschland hinkt bei der Digitalisierung hinterher. Die Wirtschaft, die Verwaltung, die Bildung.
Ob dieses Urteil in dieser Drastik gerechtfertigt ist, sei dahingestellt. Doch nun ist uns durch die Social-Distancing-Maßnahmen während der Corona-Krise eines ganz augenfällig vorgeführt worden: Technologie, Prozesse und Infrastruktur sind für den massenhaften Home-Office Betrieb nicht ausgelegt. Ebenso wenig die Verwaltung des Landes, die z.B. mit schnellen finanziellen Hilfen Millionen von Bürgern helfen soll, ihre nackte Existenz zu sichern. In manchen Bereichen hat das mehr schlecht als recht funktioniert; andere Bereiche können von nichts anderem berichten als von Server-Überlastungen. Die tief eingeschliffene Präsenzkultur unseres Landes und die nur zögerlichen Bemühungen von Wirtschaft und Verwaltung interne Prozesse sorgfältig und nachhaltig zu digitalisieren, sind nun etwas sichtbarer geworden. Das könnte, so paradox es klingen mag, eine Chance sein.
Nun werden viele Unternehmenslenker und Führungskräfte sofort einwenden, dass man doch für sehr viel Geld IT-Abteilungen eingerichtet und massive Anstrengungen unternommen hat, um die Präsenz im Internet zu stärken und dass das Internet in vielen Fällen sogar zu einem schlagkräftigen Vertriebs- und Serviceweg gemacht wurde – und natürlich: dass man so viele Daten gesammelt hat. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die, dass flächendeckend mit zusammengestoppelten (man muss es so salopp sagen) IT-Lösungen, mit einem Patchwork and Systemen, Programmen und Dienstleistungen von außen, höchst anfällige Konstrukte geschaffen wurden, die bestenfalls punktuell als so etwas wie eine Digitalisierung durchgehen können. Aber innerbetrieblich sinnvolle und konsistente Prozesse, genauso wie zuverlässig funktionierende Services für Kunden sind, so hart es auch klingt, die Ausnahme.
Nun kann man viel über die Ursachen spekulieren, Schuldige suchen, große Erzählungen über Kostendrücke, fehlende Notwendigkeiten oder gar mangelhaft ausgebildete Mitarbeiter zum Besten geben. Aber all das bringt einen eigentlich nur dahin, dass die eine große Realisation, die Unternehmensführungen eigentlich längst gehabt haben müssten, noch nicht erfolgt ist: erfolgreiche Digitalisierung ist weniger ein technologisches Problem denn ein strategisches. Klar kann man das neueste Equipment anschaffen, tolle neue Anwendungen in Prozesse integrieren. Aber solange man „ganz oben“ nicht wissen will, dass nicht nur R&D und Produktion Einsatzgebiete für eine durchgehende Digitalisierung sind, wird sich an der augenblicklichen Situation kaum etwas ändern. Die Strategen weigern sich schlicht und einfach, strategisch zu denken und zu handeln.
Das liegt vielleicht daran, dass Führungskräfte tatsächlich einem Dilemma gegenübersehen: Wie kann ich strategisch und strukturell digitalisieren, ohne dass die unweigerlich notwendigen Veränderungsprozesse, mal grob gesprochen, den Laden lahmlegen? Und vor allen Dingen: Wie soll das gehen? Was da nämlich verlangt wird, um mal bildlich zu sprechen, ist, die Operation am eigenen offenen Herzen. Und die Lösung dafür? Zumeist der Einkauf von noch mehr Beratern, von tausenden von Stunden vor poppig-bunten PowerPoint Folien und das für Millionenhonorare. Und dann top-down die große Offensive mit neuen Computern und besseren Programmen, die natürlich mit den alten irgendwie kompatibel sein müssen…
Doch das Heer von oftmals völlig ineffektiven Beratern ist, und hier wird es interessant, vielleicht nur das Symptom eines viel weiterreichenden Dilemmas: Nämlich, dass viel zu wenig Wissen über die eigenen Prozesse und die daran beteiligten Mitarbeiter existiert. Dieses Problem lässt sich auch auf das fehlende Wissen um die tatsächlichen Belange der Kunden des Unternehmens ausdehnen. Wie erleben Mitarbeiter und Kunden die Bemühungen des Unternehmens? Was ist ihnen, egal ob am Arbeitsplatz oder auf den letzten Metern der Servicekette, am wichtigsten? Das zu ermitteln, wäre der erste Schritt zu einer wahrhaft strategischen Digitalisierung. Die Frage ist also ganz einfach: Was will ich? Was wollen die Kunden? Und nicht: Was kann die Technologie? Letztere kann ziemlich viel; allerdings nur wenn man ihr die richtigen Aufgaben stellt.
Und damit kommen wir zu dem Stolz „moderner“ Unternehmensführungen: den riesigen, angeblich alles erklärenden Datensammlungen. Big Data soll’s richten. Das Versprechen ist, wenn’s nur genug Daten sind, dann kann man daraus so ziemlich alles ablesen. Und das ist auch bis zu einem gewissen Grad wahr: Korrelationen, Interdependenzen, verborgene Kausalitäten lassen sich mit der entsprechenden Fragestellung in jedem noch so wirren Datenhaufen finden. Die Frage ist bloß, wem nützt das was? Wer sich die digitalen Servicelandschaften eines Großteils der deutschen Unternehmen anschaut, sie gar zur Lösung eines Anliegens nutzen will, ist, öfter als nicht, frustriert. Denn das, dem er dort begegnet, hat nichts mit den Anliegen der Kunden oder Mitarbeiter zu tun. Es geht zumeist ausschließlich um das Anliegen des Unternehmens. Das Wissen, dass man bräuchte, um Kunden und Mitarbeiter zu begeistern existiert entweder nicht, oder es geht unter in gänzlich anderen Fragestellungen, die an die großen Datenpools herangetragen werden.
Wie also das Dilemma auflösen, also eben jenes, das nach effektiver und effizienter Digitalisierung verlangt, ohne dass dabei die eigenen Ergebnisse leiden? Zunächst einmal die schlechten Neuigkeiten: Die Digitalisierung braucht strategisches Denken, also den Willen, langfristig und nachhaltig zu investieren, und zwar nach Kriterien, die sich nicht sofort in Quartalszahlen niederschlagen. Investitionen? Kein Aktienrückkauf? Geringere Dividende? Schlechterer Jahresabschluss? Genau. Die nächste schlechte Nachricht: Ohne umfassende und nachhaltige Digitalisierungsanstrengungen werden auch große Firmen schlicht vom Markt verschwinden, denn der Rest der Welt schläft nicht. In einigen Branchen ist es gar so, dass bereits jetzt rein digitale Geschäftsmodelle beginnen, auch die größten Player in die Knie zu zwingen. Beispiel gefällig? Retail-Banken. Wer glaubt denn noch, dass diese in 5-10 Jahren in der jetzigen Form noch existieren werden, wenn sie sich nicht flugs zum Digitalen hin wandeln?
Nun die guten Nachrichten: Es braucht nur ein bisschen Brainwork und adäquates Wissen über die eigene Organisation, die Mitarbeiter und die Kunden, um exzellente (!) digitale Prozesse und Services zu schaffen. Und natürlich den entschiedenen Willen dazu. Auf allen Managementebenen. Und wie soll das gehen, ohne die eigenen Ergebnisse zu zerschießen? Eigentlich ganz einfach: rhizomatisches Denken, statt Silodenken. Rhizo…was?
Der Wurzelknoten, die Knolle, das Rhizom eben. Wer Angst hat, dass ihm oder ihr strukturelle Großprojekte wirtschaftlich schaden, der sollte dort ansetzen, wo sich schnell zeigt, wie eine digitale Neuaufstellung aussehen könnte. Mit einem Bereich anfangen, und die Learnings auf das Unternehmen übertragen. Von Knoten zu Knoten. Ist das nicht wieder Patchwork, könnte man sich fragen? Nein, denn wir reden hier von der Optimierung von Prozess und Struktur, von einem kohärenten strategischen Ziel. Und wir, die wir diese Veränderungen anschieben, definieren dann, was wir von der Technologie brauchen. Oder von unseren IT-Abteilungen. Und nicht umgekehrt.
Und nun die beste Nachricht: Es gibt eine Möglichkeit präzise herauszufinden, was diejenigen begeistert, die die alles entscheidenden Elemente in dieser Rechnung sind. Kunden und Mitarbeiter. Diese wissen nämlich, was sie wollen, und wie das auszusehen hat, was sie begeistert. Nur Fragen muss man sie. Und zwar so, dass aus den daraus entstehenden Daten sinnvolle Handlungsanweisungen für den Change-Prozess abgeleitet werden können. Good Data. Statt Big Data.
Seymore Sharp kann solche präzisen Daten liefern. Und in Action übersetzen.